Beringstedt in Kriegszeiten
Von 1600 an bis zum ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hat das mittlere Holstein ungewöhnlich stark unter der Drangsalierung durch fremde Truppen und kriegerische Ereignisse gelitten. So durch den
Kaiserlichen Krieg 1627 – 1629 und dem
Schwedenkrieg 1643 – 1645 die mit zum 30-jährigen Krieg gehören. Dem
Polackenkrieg 1657 – 1670 und durch die
Franzosenzeit 1810 – 1814 auch Kosakenzeit genannt.
Russische, schwedische, preußische, französische, holländische, spanische und dänische Söldnertruppen, ganz schlimm waren auch die Lützower, benahmen sich stets so als wären sie im Feindesland, auch wenn sie als Verbündete auftraten. Wenn sie keinen Sold erhielten, und das war wohl sehr häufig der Fall, dann requirierten sie auf eigene Faust und nahmen alles, was sie gebrauchen und mitführen konnten. Sie nahmen den Bauern Pferde, Vieh, Wagen, Korn, Heu, Stroh, Speck, Butter, Eier und selbstverständlich alles Geld und alle Gegenstände mit Geldwert, z.B. metallene Gegenstände. Aus Mutwillen verbrannten sie in mühevoller Handarbeit hergestellte Geräte. Sie machten auf den Haus- und Scheunendielen Feuer und wenn das Haus brannte, zogen sie in das Nachbarhaus. Sie folterten die Bewohner, damit sie ihnen Verstecke im Garten oder im Feld und Wald verraten sollten.
Um der Bedrückung durch die fremden Truppen wenigstens teilweise zu entgehen, wurden im 17. Jahrhundert beim Herannahen fremder Truppen immer wieder Frauen, Kinder, Pferde und wertvolle Habe in aller Eile in den Wäldern oder in den unzugänglichen Mooren versteckt.
Für die Beringstedter hatte man eine solche Fluchtburg auf dem Voßberg am Rand der „Groot Wisch“ und des „Groot Moor“ eingerichtet. Die Reste sind noch heute zu sehen (steht im Heimatbuch, das vor knapp 100 Jahren erschien). Hier gab es Holzhäuser für die Unterbringung der Dorfbewohner. Die hufeisenförmige Fluchtburg war zugleich eine Schanze, 250 m lang und 70-80 m breit. Die Erdwälle waren 2-4 m manchmal auch 5 m hoch. Seitlich davon lag die sogenannte Rittmeisterkuhle und der breite Sumpfgürtel der Todenbütteler bzw. Haaler Au. Ansonsten um gab sie das Moor und die sumpfigen, größtenteil unzugänglichen Wiesen der „Groot Wisch“. Zugänglich war sie nur auf einem Weg, der sich leicht verteidigen ließ.
Hier bei Todenbüttel ist auch der Schauplatz eines Gefechts zu suchen, dass sich am 28.04.1644, am Sonntag nach Ostern, zugetragen hat und von dem Hans Detlef to Windbargen in Dahlmann´s Neocorus (II.484) berichtet. Nördlich von den Schanzenresten heißen die Wiesen noch heute „Karkhoff“ (Friedhof). Offenbar sind hier die Opfer des Gefechtes begraben worden. Und tatsächlich hat man hier die Reste von Knochen, Waffen und Leder gefunden.
Die Rittmeisterkuhle
1644 war es auch, als die Schweden einem Bauern aus Beringstedt Jauche einflößten und dann auf seinem Bauch herumtrampelten, damit er ein Versteck verraten sollte. Der Bauer starb an diesen Mißhandlungen; er wußte auch gar nichts von einem Versteck und beiseite gebrachten Schätzen.
In der Zeit vor dem Polackenkrieg haben sich die Beringstedter in das Moorland bei den Pfennigwischen und den Bodderborn versteckt. Hinter der großen Wiese, nach der Haaler- und Fuhlenau hin liegt die Rittmeisterkuhle. Sie hat ihren Namen bekommen als die Schweden in das Dorf gekommen sind (ca. 1644). Sie haben gebrannt, geräubert und die Leute gequält, wie zuvor beschrieben. Die Menschen aus dem Dorf liefen ins Moorland, die Schweden hinterher. Ein Rittmeister ist hinter einer Frau her gewesen. In ihrer Angst springt sie in ein großes Wasserloch, versank aber durch die weiten Röcke nicht. Der Rittmeister glaubte, sie könne dort stehen und sprang mit seinem Pferd hinterher. Er versank dabei, die Frau jedoch konnte sich ans andere Ufer retten. Von da an hieß diese Kuhle die Rittmeisterkuhle. Jahre später hat man angeblich dort noch Stücke von einem Sattel gefunden, wurde erzählt.
1712 kamen mit den fremden Truppen auch die Seuchen ins Land, so auch die Pest (Beulenpest). Ganze Dörfer starben aus und waren vollständig verlassen und es gab viele wüste Höfe.
Für die Schäden durch die Truppen und die Kontributionen und Requirierungen gab es entweder gar keine oder eine völlig unzulängliche Entschädigung. Einmal erhielt ein Beringstedter ein Achtel des Wertes der festgestellten Schäden ersetzt. Daneben waren die laufenden Lasten, wie Amtsgelder, Kirchenabgaben, Physikus taxen, Hebammen-, Wege-, Brücken- Mühlengelder, Gildebeiträge, Schulumlagen, Armenbeiträge und Geldbußen aller Art eine so starke Belastung, dass eine unvorstellbare Armut herrschte. Die Konkurse häuften sich. Das vorhandene Vieh musste verkauft werden, um die Schulden zu bezahlen und viele verließen Haus und Hof und zogen davon. Es blieb kein anderer Ausweg, als die Hufen im Stich zu lassen. Nach dem 30-jährigen Krieg gab es im Kirchspiel Hademarschen beispielsweise 18 wüste Höfe. 1750 war ihre Zahl aber noch weitaus höher, wie aus einem von Kanzleigut Hanerau aufgestellten Verzeichnis hervorgeht.
Zu diesen gnadenlosen Bedrückern gehörten auch die Truppen des schwedischen Heerführers Magnus Steenbock (1664 – 1717). 1713 war er im neu erbauten Haus des Bauern H.D. Hadenfeldt einquartiert und ließ sich reich bewirten. Das war in einer Weise gut, weil die mit einquartierten Söldner sich angesichts ihres Anführers gewisse Beschränkungen auferlegten und sich gesitteter benahmen als in den Nachbardörfern.
Steenbock war 1712 von Gadebusch kommend in Holstein eingedrungen. Er zögerte nicht mit harten Repressalien, wenn die Kontributionen nicht sogleich geleistet wurden. Am 8. und 9. Januar 1713 ließ er aus diesem Grunde die Stadt Altona zu zwei Dritteln durch Feuer vernichten. Glückstadt konnte er nicht erobern und zog weiter nach Norden. Auf diesem Weg kam er nach Beringstedt. In Tönning wurde er dann eingeschlossen und belagert. Am 16.5.1717 kapitulierte er in Oldenswort (siehe Martje Floris) und starb in dänischer Gefangenschaft in Frederikshavn am 6.3.1717 im Alter von 53 Jahren. Man sagt, Steebock sei gar kein Schwede gewesen, sondern er stamme aus Förden-Barl bei Wrist, wo es noch heute viele Leute dieses Namens gäbe. Es handelt sich aber wohl um eine der vielen Sagen, die diesen Heerführer umgeben.
Nicht weniger schlimm war die „Kosackenzeit“. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig 1813 rückten die vereinigten Schweden, Preußen und Hannoveraner gegen Holstein vor. Die Dänen, die noch immer zu Napoleon hielten, waren das Angriffsziel. Die Dänen zogen sich aber aus Holstein zurück bis hinter die Eider, besser gesagt: bis nördlich der Eider. Allein die Stadt und Festung Glückstadt hielt sich noch bis zum 06. Jan. 1814. Westholstein war nun das Aufmarschgebiet gegen die Dänen und wurde sehr stark mit Einquartierung belegt. Die russischen Kosacken unter dem Grafen Bothmer waren die ärgsten Bedrücker der unschuldigen Bevölkerung. Requirierungen von Lebens- und Futtermitteln nahmen kein Ende. Raub, Erpressungen und Angriffe auf Leib, Ehre und Leben häuften sich. Die deutschen Lützower Reiter standen den Kosaken in keiner Weise nach. Am 09. Jan. 1814 forderte der Kronprinz von Schweden 1 Million Reichsthaler Schleswig-Holsteiner Courant an Kontribution allein für das Herzogtum Holstein. Die Not stieg steil an. Dazu fiel das Thermometer auf unter minus 20 Grad. Brot und Fleisch waren kaum noch
vorhanden.
In Beringstedt waren ebenfalls russische Reiter einquartiert. Nicht selten 15-20 Mann auf einem Hof und das für längere Zeit. Die Kosaken waren diebisch und gewaltätig und als „Kosackenwinter“ ist diese schreckliche Zeit in die Geschichte des Dorfes eingegangen.
Nach dem Frieden von Kiel 14. Jan. 1814 beginnen die Kosaken vom Don unter dem Fürsten Galitzin abzurücken. Sie nehmen alles mit was überhaupt greifbar ist, Geld, Kleidung, Pelze, Stiefel, Wagen Pferde, Pferdegeschirr, Messing- und Kupfergeräte, Futtermulden, Messer, Scheren, Uhren, Wein, Branntwein.
Hierher gehört auch eine kleine Geschichte, die sich in Beringstedt auf dem Hof Kaltenbach zugetragen haben soll: Ein sehr guter 3-jähriger Hengst sollte dem Zugriff der Kosaken entzogen werden. Zu diesem Zweck baute man in den umfangreichen Strohdiemen auf dem Hof eine geräumige Höhle, in die man den Hengst versteckte. Die Höhle wurde dann durch lose Strohballen wieder verschlossen. Als aber die Kosakenpferde auf der Hofstelle kamen und von ihren Pfernden stiegen, witterte der Hengst durch das Stroh hindurch eine Stute und wieherte laut und anhaltend. Somit war sein Schicksal besiegelt und die Kosaken nahmen daraufhin den Hengst unbarmherzig mit.
In Beringstedt wurde Hans Wohlers, Sohn des Claus Wohlers, als Fahrer mitgenommen (Er war der Bruder von Annelene Illing´s Ur-Ur-Großvater. Ihre Großmutter war eine geborene Wohlers. Der Hof Wohlers lag damals Im Eck. Dieser wurde jedoch aufgelöst und in kleinere Grundstücke parzeliert, heute stehen dort Einfamilienhäuser. Wo genau das Hofgebäude stand ist heute, 2019, nicht mehr bekannt). Aus der Kosakenzeit erzählt man:
Der junge Wohlers, ein Knabe von etwa 12 Jahren, kräftig entwickelt, sollte den abziehenden Kosaken den Weg zeigen. Er saß mit 12 Kosaken auf dem Wagen, die völlig betrunken waren. Dem Vater hatten die Kosaken zuvor zwei Pferde gestohlen. Der Junge beschloß, sich zwei neue Pferde zu holen. Als der nüchterne Kosak, der den Wagen lenkte, vom Wagen herunterstieg und abseits ging um eine Pause zu machen und zu pinkeln -sie hielten grad im dichten Kratt des alten Landesweges-, da sprang der Junge vom Wagen, schnitt schnell die Gestänge der Pferde los, sprang auf ein Pferd und jagte in den Busch. Zwei Tage hielt er sich versteckt und kam dann mit seinen erbeuteten Pferden froh zu seinem Vater zurück.
Nach dem endgültigen Abzug blieben zurück: Armut und Seuchen mit hoher Sterblichkeit. Obenan standen Pocken (Blattern) und ganze Seiten füllen die Sterberegister in Schenefeld´s Kirchenbüchern. Dazu Ruhr, Masern, Fieber und Tbc. Oft wird als Sterbeursache „Brustkrankheit“ genannt, womit wohl ebenfalls die Schwindsucht Tbc (Tuberculose) gemeint ist.
Quellenangaben: Heimatbuch des Kreises Rendsburg Seite 280 - 300 (Georg Reimers)
Seite 651 - 657 (Max Göttsche, Dorflehrer)
Amt Rendsborger Sagen
Gustav Friedrich Meyer, Seite 10
Familienchronik Hadenfeldt, mit Quellennachweis, Seite 18