Bäcker Voß
In der ersten Schulchronik wird im Jahr 1903 folgender Eintrag festgehalten, Seite 51:
Im Laufe des Sommers machte sich hier im Ort eine rege Anzahl mit Grundstücken bemerkbar. Die Witwe Evers verkaufte ihre Bäckerei für 12 000 Mark an ihren derzeitigen Geschäftsführer. Der Kaufmann Holst veräußerte seinen Besitz an Herrn Voß aus Gokels für 13 000 Mark. Den Besitz des Landmannes J. Sievers erstanden die Parzellenten Scheele für 2 600 Mark. Der Maurer Kroll verkaufte seine Kate an den Arbeiter Ruge, während er selbst wieder zwei Bauplätze erstand von dem Landmann C. D. Hadenfeldt, um dort Wohnhäuser aufzuführen. Den Besitz des Klempners Petersen erwarb der Gärtner Hinrichs aus Hanerau, um dort eine Gärtnerei anzulegen. Das Haus des Rentner C. Kock ging durch Kauf über an den Arbeiter Heesch für 4400 Mark. Der Viehhändler Wieben erwarb einen Bauplatz von dem Landmann H. Timm für 1000 Mark.
Demnach war die Vorbesitzer ein gewisser Herr Holst
Diese alte Postkarte von 1907 zeigt u. A. auch das Haus Steinbergstraße 15. Benannt als Kaufhaus von H. Voss
Eine weitere Postkarte zeigt dieses Bild:
Hermann Voss *1876 +1952 verheiratet mit Johanna, geb. Evers, Beringstedt. Siehe oben. Die Witwe Evers verkauft .... (hier handelt es sich vermutlich um die Bäckerei schräg gegenüber (später Lindner). Dafür fehlen aber noch die schriftlichen Belege. Es steht jedoch fest, das im Nachbarhaus der Maurermeister Evers wohnte (heute Grewe, siehe Steinbergstr. 13).
Kinder: Agnes verh. mit Walter Rochow
Eduard später der Hausbesitzer
Max wird auch Bäcker. Er heiratet. mit Anne, geb. Rohweder, aus Wapelfeld. Sie übernehmen später die Bäckerei mit Laden in der Steinbergstraße 15
1924 steht in der ersten Schulchronik folgender Eintrag: Claus Voß baute einen neuen Pferdestall, Bäcker Voß einen Kornboden über dem neuen Backofen, Postagent Schmidt einen Schweinestall.
Juni 1929 Bäckermeister Hermann Voß erhielt eine Knetmaschine aus Flensburg.
(Info aus der Dorf- u. Schulchronik)
In der Kriegszeit 1944 wird im Frühjahr folgender Eintrag in die Dorf- und Schulchronik geschrieben: In Voß´ Bäckerei müssen jetzt auch Stöver Puls und Sievers Osterstedt backen. Dadurch soll Feuerung eingespart werden.
Hermann Voss ist Gründungsmitglied vom Beringstedter Männer-Gesangsverein (von 1908).
Hier war er in den Jahren
1908-09 Vorsitzender
1913 Schriftführer und
1914 Kassierer. Dann wieder
1921-22, sowie 1932-49 Vorsitzender vom Gesangverein.
Im Jahr 1949 wurde er zum Ehrenvorsitzenden (siehe Bild) ernannt.
Auf dem nächsten Bild ist der Schornstein der Backstube hinter dem Haus zu erkennen.
Auf diesem Bild ist der große Schornstein abgebildet, der aus der Backstube im Hinterhaus emporsteigt. Das Haus wurde nach dem Tod von Max Voss (+1993) umgebaut zu Wohnungen, die vermietet wurden.
Heimatbuch II Beringstedt Seite 99 / 100 / 101
geschrieben am 21.11.1936 von Margareta Holm:
Beim Konditor
Klingeling, geht die braune Ladentür. Ein schöner Duft aus der warmen Backstube kommt mir entgegen. Leise öffne ich die Tür der Backstube. „Guten Morgen Bäcker, na, schon bei den schönen Sonntagskuchen?“ „Ach, wir müssen wohl schon damit anfangen.“ Drei Mann mit weißer Mütze und Schürze und einer schwarz-weißen Hose sind beim Backen und Kneten beschäftigt. Max vor dem Backofen. Der Meister selbst beschäftigt sich mit den Feinbroten. Aber Hans, der Lehrling, ist in der 2. Backstube und legt die schönen gelben Kuchen auf die Platte. Alle Feinbrote sind fertig geknetet, nur sie müssen noch mit Wasser überstrichen werden. Schnell greift Max zur Bürste und überstreicht jedes Feinbrot. Große und Kleine mit und ohne Korinthen. Feinbrote lagen auf dem mit Weizenkleie bestreuten Tisch. „Warum macht ihr denn die Kleie auf den Tisch?“ „Oh, sonst kleben uns ja die Feinbrote auf dem Tisch fest“. Der Meister sagte: “Max, mok to, wat de Stutens vun Disch kamt, man flink mit ehr in Backob´n rin!“ Schnell griff Max zum Messer und Schieber. Max schneidet mit seinem Messer 3-mal über die Feinbrote. Dann schiebt er die Feinbrote in den Backofen hinein. Ab und zu wechselt er den schon etwas braun gebrannten Schieber, weil er sonst zu heiß wird. Der Backofen ist voll. „Ach die Kuchen sind wohl schon gut, heb die man schon raus!“ Vorsichtig holt Max die schönen Pflaumen-, Marzipan- und Apfelkuchen heraus. „Ah, wie sind die aber lecker geworden.“ Ich besah sie von allen Seiten. Aber Max und Hans hatten schon den Backofen wieder voll. Auch die Rundstücke wieder herausgeholt, in einen Korb geschüttet und in den Laden gebracht. 3 Feinbrote waren noch übriggeblieben, aber der Ofen war wieder voll. Max zog die Eisentür des Ofens runter. Dann machte er auch das Licht, das den Ofen erleuchtet aus. Danach geht auch er zur 2. Backstube und backt Kuchen. Auch ich gehe einmal in die Stube und besehe mir alle Sachen. Auf dem großen langen mit Mehl bestreuten Tisch, worauf alle verschiedenen Plettenformen z. B. Herze, Kreise, Vierecke usw., und die schon etwas gekneteten Kuchenteige. Jetzt kommt aber auch Max zum Backen. Aus einer Ecke holt er eine große Waage und wiegt sich seine Sachen ab. Nachdem er alles abgewogen hatte, knetet er es zusammen und ging weg zum Backofen, um zu sehen, ob die Feinbrote schon gut waren. Wieder machte er das Licht an und die Tür auf. Auch ich schaute neugierig in den Backofen hinein. Alles war hell, deutlich sah man die Feinbrote. „Sie sind gut, Hans, komm schnell her!“ Schnell waren Hans und Max dabei. Noch einmal werden sie mit Wasser überstrichen und in den Laden gebracht. Noch einmal besehe ich die erste Backstube. Drei Schieber liegen auf dem Backofen. 3 eiserne Türen sah man zwischen den schönen weißen und grünen Fliesen. In einer Tür wurde geheizt zum Backofen. Sogar eine Tür zum Feuerungsabteil. In der mittleren Tür der Backofen. Auch Wasser, kalt und warm, war in der Backstube. In einer ganz anderen Ecke sah man 3 Borte, auf diese Borte standen die Waren zum Backen: Sukade, Zucker, Salz, Korinthen, Staubzucker usw. Rechts von der Tür eine große Brotmaschine zum Kneten der Schwarzbrote. Auch an der Erde lagen noch viele Sachen wie Platten und Feinbrotformen, Mehldosen, Kisten und Kästen. Mit „vielen Dank“ verließ ich die schöne warme Backstube.
gez. Margareta Holm
19.12.1940 Am Sonntag, den 8.12. wurde Max Voß mit Anne Rohweder aus Wapelfeld verheiratet (Einrag in der Dorf- u. Schulchronik)
Das Geschäft geht über an den Sohn Max Voss, ebenfalls Bäcker. Dieser wollte ursprünglich lieber Kunstmaler o.Ä. werden, mußte jedoch das Bäcker-Handwerk erlernen, um hier sein Erbe antreten zu können. Dies tat er dann später auch mit großer Leidenschaft. Berühmt war er für seine Butter-Creme-Schnitten, die er stets mit viel Sorgfalt zubereitete.
Oma, Johanna Voss, wohnte bis zu ihrem Tod in den 1960er Jahren im OG des Hauses.
Verheiratet ist Max Voss mit Anne, geborene Rohweder aus Wapelfeld.
Sie haben 2 Kinder: Inge und Ulla
In der Nacht vom 26. auf 27. 2.1942 wurden bei Bäcker Voß etwa 200 Briketts gestohlen. (Quelle: Dorf- und Schulchronik).
In der Dorf- und Schulchronik wurde im Oktober 1954 vermerkt, dass das Geschäft Voss eine neue Ladeneinrichtung bekam.
… vor dem Eingang zum Laden steht das 3-rädrige Fahrzeug von Bäcker Voss
Mit diesem Fahrzeug ist er auch auf dem fnächsten Bild zu sehen im Ellerrehm (vermutlich Flohmarkt).
Auch bei anderen Veranstaltungen im Ellerrehm, wie z. B. Volks- Gilde- oder Sängerfest usw. fuhr Bäcker Voss mit seinem Fahrzeug hierher um Kuchen anzubieten, die dann gerne gekauft und verzehrt wurden.
Tochter Inge verliert als junge Frau bei einem Auto-Unfall ihr Leben.
Tochter Ulla heiratet und wohnt mit ihrem Mann (Jürgensen) in Büdelsdorf (2 Söhne).
Bild unten: Hier ist `Max Bäcker´ bereits im Rentenalter und Helferin (und Nachbarin) Martha Greve holen das fertige Brot aus dem Backofen:
Im Rentenalter wohnen Max und Anne im DG des Hauses und vermieten das Geschäft an:
Reimann,
Pikowski
und weitere Mieter, die hier weiterhin Brot und andere Lebensmittel verkaufen. Das Brot wird jedoch nicht mehr hier selbst gebacken, es wird von einem anderen Bäcker aus Gokels geliefert (Feldhusen).
Die Wohnung im EG wird vermietet. Vorübergehend zieht die Familie Pikowski (Alte Dorfstr. 2) hier ein, solange sie nebenan das Laden-Geschäft betreiben.
Das A&O – Geschäft wird dann verlegt zum Saar 53, in die ehemalige Bahnhofs-Gaststätte, die Wilfried Quednau kaufte und hier umfänglich umbaute.
…
Später kommt es dann zu einem tragischen Unglück bei einer anderen Mieter-Familie. Diese hat 3 Kinder, 2 Mädchen und 1 Jungen. Eines frühen Morgens entsteht im Kinderzimmer ein Schwelbrand, wobei der kleine Junge an den giftigen Dämpfen erstickt. Die beiden Mädels waren in der Nacht zu ihren Eltern ins Bett gekrochen und hatten somit Glück im Unglück. Die Notärzte versuchen leider vergeblich das Leben des kleinen Jungen zu retten.
Im hohen Alter von 82 Jahren fällt Max Voss (im Dorf auch als `Max Bäcker´ bezeichnet, wegen Namensgleichheit eines weiteren Beringstedter Bürgers) von einer Leiter, weil er am Dach seines Hauses etwas reparieren wollte. Von diesem Sturz erholt er sich nicht und stirbt kurze Zeit später im Jahr 1993.
Seine Frau Anne wird über 90 Jahre alt. Sie überträgt die Verantwortung für das Haus ihrer Tochter Ulla und ihren Ehemann. Beiden wohnen in Büdelsdorf. Sie lassen das Haus teilweise umbauen. Im ehemaligen Laden entsteht eine weitere Wohnung, die vermietet wird und die Fassade wird neu verblendet. Der hinter dem Haus stehende ehemalige Schweinestall wird abgerissen. Hier steht heute der Carport.
2006 wird das Haus verkauft an den neuen Besitzer
Eine Aufnahme im Februar 2023
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