Eine alte Postkarte von 1905 zeigt ein als Jägerhaus bezeichnetes Gebäude (Kreis links). Es handelt sich um das Haus der Familie Gier, Saar 21 (heute Kleist). Es wurde im Jahr 1888 gebaut (siehe Hausgeschichte). Carl Gier (ursprünglich aus Rasdorf bei Preetz stammend) hatte hier in Beringstedt und Umgebung sein Revier als Forst- u. Jagdaufseher. Für ihn und seine Familie wurde dieses Haus gebaut. Nördlich der Bahnstrecke gab es zu dieser Zeit nur ein weiteres Haus, alles andere war noch unbebaut. Siehe weiter unten nachfolgenden Kartenausschnitt, der im Jahr 1880 veröffentlicht wurde.
Auch diese Ansichtskarte, geschrieben 1903 zeigt das Jägerhaus in Seitenansicht.
Zuvor gab es nördlich der Bahnlinie nur das Haus Saar 38, wie diese Karte von 1880 zeigt:
Dann gibt es noch ein weiteres Haus: Reiherstieg 1, etwas außerhalb vom Dorf gelegen, direkt an der Bahn, gebaut um 1904. Es diente, nachdem die Fischerei aufgegeben wurde, als Unterkunft für Kieler und Hamburger Jagdpächter (Knoop). Hier eine Aufnahme von 1910:
Im Beringstedter Archiv findet man hierzu folgendes:
Auch dem von der weiblichen Dorfjugend heftig umschwärmte Förster Gundlach diente sie als Unterkunft. Der Jagdpächter verzog dann nach Rehheide und der Hamburger Pächter (Knoop) zog es bald vor im Dorf zu wohnen (siehe Hausgeschichte Friedrichstr. 20, Kate Bruhn).
Dann wohnte vorübergehend der Förster Collande (aus der Nähe von Glückstadt) in der `Fischerei´. Collande hatte in der Blomschen Wildnis angeblich seine Frau und seine Tochter im Nachthemd vor den Pflug gespannt und nachts bei Mondschein mit diesem Gespann auf dem Feld gepflügt. Er blieb nicht lange.
Aufgeschrieben von Otto Bolln (geboren 1900 in seinem Elternhaus in Beringstedt, Mückenhörn 9 (Bruder von Dora Lütje):
Von 1911 bis 1915 habe ich das angemietete Haus für den Jagdpächter Knoop verwaltet, d. h. ich mußte die Zimmer lüften, wenn sie sich zur Jagd angesagt hatten. Wenn es nötig war, mußte ich die Zimmer auch beheizen. Das war für mich eine verantwortungsvolle Arbeit und dafür wurde ich fest besoldet mit 10 Reichsmark monatlich. Dafür mußte ich die Familie Knoop aber auch vom Bahnhof abholen, das umfangreiche Gepäck befördern, Einkäufe beim Kaufhaus Ruge besorgen, Brennstoff in Form von Holz und Torf bereithalten, Kartoffeln im Garten aufnehmen und die Knoop´schen Jäger als Hundewart und Gewährträger bei der Jagd begleiten. Etwaige Jagdgäste mußte ich im Gasthaus Ehler Voss unterbringen (später Lenschow) und ebenfalls auf der Jagd betreuen. Dafür gab es dann für mich, je nach Freigebigkeit der Gäste, eine besondere, stets willkommene Geldzuweisung.
Treibjagd im Jahr 1912
…ganz rechts im Bild, der 2. Mann mit Vollbart, ist Gustav Möller (Opa von Annelene Illing, sie hat dieses Bild zur Verfügung gestellt.)
An einem Dezembermorgen im Jahr 1913 ereignete sich folgende Geschichte:
Vor dem Dorfgasthaus hatten sich zu einer Treibjagd zahlreiche flintenbewaffnete Bauern des Dorfes versammelt. Auch einige Gäste von auswärts und viele handstockbewehrte Treiber. Man hatte den Ablauf des Treibens besprochen und wartete noch auf einige verspätete Nachzügler.
Dann kam vom Norden her auf der Dorfstraße ein Auto mit 30 km/h herangeprescht und hielt bei den versammelten Waidmännern an. Autos waren damals noch eine rare Seltenheit und darum traten die Jäger und Treiber näher an das fauchende Ungetüm heran, um es achtungsvoll zu bestaunen.
Aus dem offenen Auto schälte sich ein Herr heraus, schob die Staubbrille in die Stirn (dabei staubte es im Dezember doch gar nicht, aber Autobrillen waren damals modisch und außerdem schützten sie die Augen vor dem Zugwind). Offenbar hatte der Autofahrer die Orientierung verloren, denn Ortstafeln oder desgl. Gab es damals noch nicht, allenfalls verwaschene Aufschriften auf den Kilometersteinen an der Chaussee). Der Herr also schnarrte: „Wie heißt es hier?“ Darauf antwortete der nahestehende Bauer Hans Wendell (Senior): „Hier heet dat erst eenmol `Guden Morgen´!“ Hierauf Gelächter und Schmunzeln bei Jägern und Treibern und das verdross den Herrn ganz offenbar sehr. Er richtete sich zu seiner ganzen Größe auf, versuchte bedeutungsvoll auszusehen und schnarrte weiter: „Sie wissen wohl nicht, wen Sie vor sich haben? Ich bin der Oberlandesgerichtsrat Dr. Schifferer aus Schleswig!“ Darauf der angesprochene Bauer Wendell: „Und ich bin der Schiedsrichter und Bauer Hans Wendell aus Beringstedt!“ Sprach´s, schulterte die Flinte und Schritt von dannen, gefolgt von den schallend lachenden Jägern und Treibern. Zurück blieb der verdutzte aber auch wütende Richter aus Schleswig, der wieder in seinen `Geltungswagen´ stieg und davonbrauste.
Wie sagte doch Wilhelm Busch: „Wie klein ist das, was einer ist, wenn man´s mit seinem Dünkel mißt.“ Auch diese Geschichte stammt aus den Aufzeichnungen von Otto Bolln.
Eine weitere schriftliche Erwähnungen aus der Schulchronik über Wald und Flur:
1929 Am Gründonnerstag abends um 6.30 Uhr wurden 17 Wildgänse gesehen.
1929 schreibt ein Schüler folgendes in die Dorf- und Schulchronik:
Am 9.7.1929 ereignete sich in unserem Dorfe ein großes Unglück. Ein Schüler machte folgen Bericht: Ehler Ruge (Kaufhaus) ging mit seinem Freunde Dr. med. Struck zum Scheibenstand (im Ellerrehm), um hier eine Flinte einzuschießen. Sie gingen unter munterem Gespräch hin. Wie sie beim Scheibenstand angelangt waren, verabredeten sie sich etwas. Ehler Ruge ging oben nach der Scheibe, um sie aufzustellen. Nun stellte Herr Ruge die Scheibe auf. Als sie noch nicht ordentlich stand, ging er hinter die Scheibe um sie an das Dach zu lehnen. Ob er vorher gewunken hatte, ist nicht bekannt. Da gab Dr. Struck den Schuß ab und die Kugel traf Herrn Ruge in den Leib. Der Arzt lief nach Herrn Ruge. Als er das Unglück sah, lief er in das Dorf, zuerst nach K. Wieben, dann zu meinem Vater. Mein Vater lief gleich nach der Unglücksstelle. Herr Ruge hatte keine Schmerzen. Mein Vater hatte noch sehr lange mit ihm gesprochen. Einige Leute holten die Krankenbahre von der Bahn. Wie sie kamen, legten sie ihn hinein und trugen ihn aus der Kuhle. Oben war Dr. Struck schon mit den Verbandsstoffen und Herr Ruge wurde verbunden. Vorher hatte er noch mit seinem Sohn Walter gesprochen und zu diesem gesagt: „Hole deine Mutter! Einen Augenblick darauf trugen ihn einige Männer nach Hause. Als sie bei Schütt waren, starb Herr Ruge. (gez. H. Wendell, Quelle: Dorf- u. Schulchronik)
Weitere Einträge in der Dorf- und Schulchronik über Treibjagden:
1930 März Gestern, Dienstag den 4.3.1930, sah Herr Lehrer Göttsche auf Schrum´s Aukamp 14 Rehe beieinander. Er konnte sich den Tieren auf 30 Schritt nähern, sodann ergriffen 8 der Tiere die Flucht. Die übrigen 6 blieben bis auf eine Annäherung von 20 Schritt stehen.
Mai Die Beringstedter Jagd ist an Karl Innenkamp aus Kiel verpachtet worden für 2000 RM jährlich.
Am Sonnabend, den 30.8.1930, sah ich, Wilhelm Hadenfeldt, auf der Fahrt nach der großen Wiese bei der alten Steinstraße sieben Fasanenhühner auf dem Weg stehen. Sie ließen mich bis auf 10 Schritte näherkommen. Dann flohen sie wie Küken in das nahe Gebüsch.
Am Sonnabend, den 18. Okt. 1930 wurde von dem Jagdpächter eine Treibjagd auf dem Moor abgehalten. Das Ergebnis war: 34 Hasen, 1 Kaninchen und 5 Rebhühner. Abends bekamen die anwesenden Treiber und die Jäger bei Gastwirt Th. Kroos Jagdessen.
22.12.1930 Am Sonnabend den 20.12. war die große Treibjagd in Beringstedt. Es wurden 68 Hasen und 7 Kaninchen geschossen.
Jan. 1931 Eine Treibjagd, welche in den Ferien abgehalten wurde, erbrachte 58 Hasen und 16 Kaninchen.
Sept. 1931 Der Jagdpächter L. Immenkamp hat in diesem Jahr schon 5 Füchse erlegt.
Am Sonnabend, den 4.10.31 wurde die Treibjagd auf dem Moor abgehalten. Es wurden 28 Hasen, 1 Kaninchen, 1 Fuchs 8 Rebhühner und ein Birkhuhn zur Strecke gebracht.
22.9.1932 Herr Dr. med. Struck hat die Jagd nicht bekommen. Die Jagd ist zum zweitenmal verpachtet.
30.11.32 Treibjagd, es wurden 8 Hasen geschossen.
17.12.32 Treibjagd, es wurden geschossen: 117 Hasen, 2 Kaninchen
13.11.33 In der Treibjagd am 11.11.33 wurden geschossen: 35 Hasen, 1 Kaninchen, 3 Rebhühner, 2 Fasane, 1 Schneppe
27.11.33 In der Treibjagd am Sonnabend, den 25.11. wurden geschossen: 20 Hasen, 4 Kaninchen, 1 Rebhuhn
4.12.33 Im Laufe des Sommers wurden 6 Rehböcke geschossen. In der Treibjagd am 2.12. wurden geschossen: 26 Hasen und 2 Kaninchen.
12.11.34 Auf der Treibjagd am Freitag den 9.11. wurden geschossen: 16 Hasen, 3 Kaninchen, und 1 Fasan.
Auf der Treibjagd vom 23.11. wurden geschossen: 17 Hasen, 2 Kaninchen, 2 Fasane, 1 Rehbock
10.12.34 Auf der Treibjagd am Sonnabend wurden geschossen: 123 Hasen, 1 Fuchs, 3 Schnepfen und 1 Kaninchen. Das Jungvolk spielten Treiber. Jedes bekam 0,50 M, davon wurden 0,25 M an die Jungvolkkasse abgegeben. Beim großen Knöll bekommen die Knaben 2 Würstchen und 1 Rundstück.
1934 Im Laufe des Sommers wurden 4 Rehböcke erlegt.
Auf der Treibjagd am Freitag den 9.11. wurden geschossen: 16 Hasen, 3 Kaninchen, und 1 Fasan.
Auf der Treibjagd vom 23.11. wurden geschossen: 17 Hasen, 2 Kaninchen, 2 Fasane, 1 Rehbock.
10.12.34 Auf der Treibjagd am Sonnabend wurden geschossen: 123 Hasen, 1 Fuchs, 3 Schnepfen und 1 Kaninchen. Das Jungvolk spielten Treiber. Jedes bekam 0,50 M, davon wurden 0,25 M an die Jungvolkkasse abgegeben. Beim großen Knöll bekommen die Knaben 2 Würstchen und 1 Rundstück.
Auf der Treibjagd vom 12.12.34 wurden geschossen: 28 Hasen. Auf der Treibjagd vom 17.12. wurden 15 Hasen geschossen.
1937 Am 20. Nov. war in Beringstedt eine Treibjagd. Es waren 8 Treiber. Im ganzen erlegten sie 2 Hasen, 1 Taube und einen Bussard.
1938 Am 16.12. wurden die der Treibjagd 31 Hasen, 1 Fuchs, 1 Kaninchen und ein Wiesel geschossen.
1939 21.11. Bei der gestrigen Treibjagd wurden 5 Hasen geschossen.
18.12. Bei der großen Treibjagd am Freitag den 15.12. dieses Jahres wurden 12 Hasen, 1 Fuchs geschossen. Man nimmt allgemein an, daß vier Füchse sich die Hasen und Kaninchen geholt haben.
19.11.40 Bei der kleinen Treibjagd am 18.11. wurden fünfzehn Hasen erlegt. Es wurde die Gegend um den Fohr abgetrieben.
1942 Auf der großen Treibjagd am 11.12. wurden 16 Hasen geschossen und ein Fuchs.
…
Aufgenommen 1956 Schießübungen
Bild oben: Claus Martens und Martin Kröger
Bild unten: ?? (kein Datum)
Beringstedter Jäger, aufgenommen in den 1970ern
Auf dem Wagen li. Willi Kühl, dahinter Hans Heinrich Martens,
Mitte: Willi Voß, Seegen 21
rechts: Claus Schrum, dahinter Ehler Holm
Jagdgeschichten
Aufgeschrieben von Erhard Marxen, Knöll 1, im Januar 2020 und für die Beringstedter Chronik zur Verfügung gestellt.
Die Waldschnepfe
„Okuli da kommen sie, Lätare das ist das wahre!“
Das ist ein alter Jägerspruch. Okuli ist der 4. Sonntag vor Ostern, Lätare der 3.
Gemeint ist die Waldschnepfe bei ihrem Balzflug, den sie meist immer wiederkehrend in Waldlichtungen ausführt. Das Männchen folgt immer dem Weibchen. Wenn man das Männchen erlegt, schmälert das den Bestand eigentlich nicht. Das Weibchen läßt sich von einem anderen Männchen treten, denn Schnepfen leben nicht in Ehe!
Irgendwann in den 1970er Jahren sitzt Adolf Timm abends auf Schnepfe an: Am Waldrand von Wendells Wald Hollenbek, mit Blick auf (damals) Heinrich Sievers Weide, die die Schnepfen gern als Schneise annahmen. Weil Adolf schon zweimal vorbeigeschossen hat, fragt er Hermann Otto Voß, ob er sich nicht mal ansetzen wolle. Und er sagte noch: „Wenn de Toch fleut um tein no acht, denn koamt se.“ – Mit gemischten Gefühlen setzt sich Hermann Otto an, denn Adolf war ja dafür bekannt, dass er andere gerne mal ins Bockshorn jagte. – Pünktlich um 20:10 Uhr läutete die Bahn am Bahnübergang Ellerrehm-Holzen und nur Augenblicke später kann Hermann Otto, der ja als treffsicher bekannt war, die hintere Schnepfe erlegen. Große Freude. Ob´s nachher noch ein Bier gegeben hat, ist mir nicht überliefert.
Noch eine wahre Jagdgeschichte:
Irgendwann in den 1950er Jahren. Im Monat Mai ist die Jagd auf den Birkhahn frei. Der Birkhahn macht früh am Morgen seine Balztänze mitsamt „Kullern“, aber auch abends gibt es eine Abendbalz. Eines Abends fährt Hermann Otto Voß (Ostermühlen) ums Beringstedter Moor herum und sieht Claus Hadenfeldt (ehemalige Dingvogtstelle) an einer Torfbank stehen auf Birkhahnjagd. Hermann Otto hört einen Schuß, dann hört er noch einen. Er steigt aus dem Auto aus, macht seine „Hornet“ fertig und als er auch noch einen dritten Schuß hört, schleicht er sich seitwärts an. Er legt an und schießt den Hahn. Da erst merkt Claus Hadenfeldt, dass er Konkurrenz bekommen hat.
Und noch eine:
Bis 1961/62 gab es in Beringstedt nur drei Jäger, die eine Büchse hatten (eine Schrotflinte besaß jeder Jäger). Das waren Claus Martens, Max Voß und Hermann Otto Voß. Wenn man dran war, einen Rehbock zu erlegen, dann lieh man sich eine Kugelbüchse aus. Nach dem `Goldfieber´ in Beringstedt (gemeint sind die Tonlandverkäufe an die Breitenburger Zementfabrik) kaufte sich als erster Hermann Greve eine Büchse. Hinrich Mehrens hatte einen Bock frei und lieh sich die neue Büchse. Hermann Greve begleitete ihn. Mehrens ist sich noch nicht ganz sicher, ob der Bock alt genug ist für den Abschuß. Da sagt Hermann Greve: „Giff man mol her, ik kiek ok mol dörch dat Glas.“ Und was passiert: Hermann Greve legt an, schießt und trifft. – Das hat Hinrich Mehrens ihm nicht übel- genommen, Greve hatte Narrenfreiheit, der durfte sich so manches Erlauben in Beringstedt. Sicher hat es nachher bei Marta noch was auf den Teller gegeben … und ins Glas.
Das Ergebnis einer Treibjagd
… mit der Fackel in der Hand, der junge Mann ist Rolf Kühl (+2019)
… weiteres folgt !!!