Ein Artikel von HANNA GERSMANN aus dem Hamburger Abendblatt vom Freitag, dem 8. März 2019

Falsch entsorgte Abfälle legen Abwassersysteme und Pumpwerke lahm. Was darf in die Toilette und was nicht?

BERLIN :: In der südenglischen Grafschaft Devon sind Anfang Februar Spezialkräfte mit Hochdruckreinigern, Schaufeln und Spitzhacken angerückt. Ihr Auftrag: Sie müssen einen 64 Meter langen Fettberg – das entspricht in etwa der Länge von sechs Doppeldeckerbussen – aus einem Abwasserkanal rausholen. Die Wasserwerke veranschlagen dafür rund acht Wochen. Erst im Herbst 2017 war in London ein 250 Meter langes, 130 Tonnen schweres Gebilde entdeckt worden, das die Kanalisation verstopfte. Die wichtigsten Bestandteile: Windeln, Wischlappen, Kondome, hartes Kochfett. Und in Deutschland?

Da spülen Bürger auch alles Mögliche die Toilette runter, was in der Kanalisation „nichts zu suchen hat“, sagt Stefan Luig, Sprecher des Verbandes kommunaler Unternehmen. Das sei manchmal „abenteuerlich“. Der Verband hat mit den besten Überblick, womit die Klärwerker deutschlandweit kämpfen. Ein so riesiges Ungetüm wie in Großbritannien sei hier zwar noch nie entdeckt worden, sagt Luig. Trotzdem käme auch hier einiges an Zeug zusammen. Und das könne für Verbraucher teuer werden.

Sie zahlen, wenn Pumpen in den Kläranlagen verstopfen, im schlimmsten Fall lahmgelegt werden – über eine Erhöhung der Abwassergebühren. „Bei einer Pumpe sind das schnell mehrere Zehntausend Euro“, meint Luig. Das Umweltbundesamt schätzt, dass sich die jährlichen Schadenskosten durch Verstopfungen oder lahmgelegte Pumpwerke in Millionenhöhe bewegen.

Bei einer Pumpe sind das schnell mehrere
Zehntausend Euro
Stefan Luig, Sprecher des Verbandes
kommunaler Unternehmen (VKU)

Jedes Jahr fließen mehr als fünf Billionen Liter Abwasser durch Deutschland. Daran hat die Industrie ihren Anteil. Doch für rund 70 Prozent sind neben kleineren Gewerbebetrieben die privaten Haushalte zuständig. Genauer: Jeder Deutsche produziert pro Tag durchschnittlich 118 Liter Abwasser. Waschmaschine, Geschirrspüler, Klospülung – da kommt einiges zusammen, auch an Dreck. Luig geht das Stück für Stück durch:

Feuchte Toilettentücher zum Beispiel gehörten in den Mülleimer, nicht ins Abwasser, sagt er. Denn das bestehe nicht aus Papier, sondern aus Vlies, also aus Textilfasern. Die lösen sich kaum auf, und wenn, bilden sie aufgrund ihrer Struktur lange Zöpfe, an denen dann beispielsweise wiederum Haare hängen bleiben. Daraus ergibt sich ein kompaktes Gebilde, das die Pumpen nicht verkraften. Wattestäbchen und -pads, Tampons und Binden, Kondome und Windeln, Katzenstreu und Kunststoffe – alle diese festen Stoffe und Gegenstände gehören in die Abfalltonne. Luig fasst es so zusammen: „Nur der Po gehört aufs Klo.“

Aber was macht man, wenn vom üppigen Abendessen Happen übrig bleiben? Sie gehören zumeist in die Biotonne. Manche Kommunen verbieten darin allerdings Fleisch- und Fischabfälle, manches landet darum besser im Restmüll. Das gilt übrigens auch für die Suppe. Ist die sehr flüssig, kippt man sie am besten in einen Beutel und wirft diesen dann in die Tonne. Denn: Speiseabfälle können für Gestank sorgen, auch Rohre verstopfen. Und: Sie sind ein gefundenes Fressen für Ratten. Die tummeln sich im Untergrund, klettern aber angelockt von schmackhaften Brocken gerne mal die Rohre der Häuser hoch.

Und was ist mit dem Rest Wein, dem abgestandenen Bier? Das verkraftet die Kanalisation – mit viel Wasser runtergespült – schon mal in kleinen Mengen. Die Regel sollte das aber nicht sein, meint Luig. Und für die verdorbene Milch oder Fett und Öl gilt das Gleiche wie für die festen Essensreste: Sie sind ein Übel für die Kanalisation, lassen Rohre verkleben und stinken.

Tabu sind auch Farben, Lacke. Sie gehören nicht ins WC. Die Chemie kann in den Klärwerken oft nur schwer oder gar nicht abgebaut werden. Selbst Rohrreiniger belasten das Wasser schwer, das am Ende wieder in den Seen und Flüssen Deutschlands landet. Zudem sind die aggressiven Haushaltsreiniger im wahrsten Sinne des Wortes ätzend: Sie können Rohrleitungen und Dichtungen zersetzen. Deswegen sollten die Chemikalien am besten bei Schadstoffsammelstellen landen. Gebrauchtes Motorenöl kann kostenlos beim Händler oder bei einer Altöl-Sammelstelle abgegeben werden. Übrigens: Auch Zigarettenkippen verunreinigen mit ihren Giftstoffen das Wasser.

Bei Medikamenten gilt Ähnliches: Ist die Haltbarkeit der Schmerztablette abgelaufen, ist das Sportgel angetrocknet, gehören sie in den Hausmüll. Mit ihm werden sie dann verbrannt. Auf Nachfrage können sie auch in einigen Apotheken zurückgegeben werden. Denn viele der Wirkstoffe in den Arzneien können selbst modernste Kläranlagen nicht entfernen. So belasten Wirkstoffe der Anti-Baby-Pille und Antibiotika das Grundwasser und sind auch für resistente Bakterienstämme verantwortlich. Laut Umweltbundesamt konnten in Seen oder Flüssen beispielsweise etwa 150 Wirkstoffe nachgewiesen werden, wenn auch meist in niedriger Konzentration. Ihre Wechselwirkung ist weitgehend unerforscht.

Gully führt in Fluss
Anders als die Abflüsse im Haus ist der Gully an der Straße in der Regel an die Regenwasserkanalisation angeschlossen. Sie sammelt Niederschlagswasser oder Schmelzwasser. Schüttet man den Putzeimer über diesen Straßenablauf aus, landet das Abwasser nicht in Kläranlagen, sondern fließt ungeklärt direkt in die Bäche und Flüsse. Aus diesem Grund dürfen Autos auch nicht auf der Straße gewaschen werden. Wer dagegen verstößt, begeht eine Ordnungswidrigkeit.

 

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