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Seegen 2

Zum Hof von Hans Timm (Seegen 2) gehörte einst eine -nicht mehr vorhandene- Strohdach-Kate. Diese Kate wird erwähnt in einem Bericht von Otto Bolln über den Tagelöhner Christian Passig. Er schreibt:

Ein Original eigener Art war der Tagelöhner Christian Passig, der in Hans Timm´s Strohdachkate (nicht mehr vorhanden) wohnte. Er war von imponierender Gestalt, mit riesigen Händen und ebensolchen Körperkräften. Stets ging er ohne Kopfbedeckung, was außer ihm niemand im Dorf tat. Sicher war er ein guter und wohl auch fleißiger Arbeiter, der nie Ermüdungserscheinungen zeigte. Er und seine Frau Lena, kurz „Kröschan und Lena“ genannt, hatten beide eine Abneigung gegen übermäßigen Waschwasserverbrauch. Wenn sie im Sommer am Abend staubig und verschwitzt vom Felde heimkehrten, dann wuschen sie sich nicht mit der Begründung, dass sie am nächsten Tag ja doch wieder staubig und verdreckt sein würden. Spülte dann bei der Ernte der Schweiß Rillen ins Gesicht, dann kam darunter die weiße Haut zu Tage. Krischan und Lena waren dann gestreift. Uns Kindern erschien die Logik der Passigs bezüglich des Nichtwaschens am Abend umwerfend, aber wir drangen bei unseren Müttern nicht durch, wenn wir es mit der passigschen Logik auch einmal versuchten. Wir mieden aber das Haus Passig, aus Furcht, dort einmal essen zu müssen, denn das Ehepaar Passig war kinderlos und meinte es sicher recht gut, wenn sie einmal uns Nachbarkinder füttern wollten. Christian Passig hatte einen unbändigen Appetit und die Frauen der Bauern fürchteten ihn als Esser, denn als Tagelöhner hatte er Anrecht auf Beköstigung oder auf einen höheren Tagelohn. Man sagte, dass er 50 Pförtchen auf einmal aß und ich selbst war Zeuge, als er bei Timms am Ostersonnabend (dann gab es Eier satt) 14 gekochte Eier vertilgte ohne Anzeichen einer annähernden Sättigung. Er rülpste dann nur ein- oder zweimal und später ließ er dann auch andernorts Töne frei, die weithin vernehmbar waren. Krischan und Lena waren ganz unbedarfte Leute. Lesen, Schreiben und Rechnen war nicht ihre Sache. Johann Schooster (er wohnte gegenüber in dem kleinen Haus, das zum Hof Wendell gehört) verstand es immer wieder Krischan etwas glaubhaft einzureden, was sich hinterher als derber Spaß oder als raffiniert angelegte Falle herausstellte, in die Krischan blindlings und gutgläubig hineintappte. So versprach Johann Schooster (er hieß eigentlich Schneider mit Nachnamen und war Schuhmacher) dem Krischan 5 Mark, wenn er ihm auf dem Moor 3000 Soden Torf an einem Tag graben würde. Das war für ihn eine Leichtigkeit und im Schweiße seines Angesichts schaffte er an einem Sonntag die Soden an Luft und Sonne. Johann Schooster aber zählte nach und stellte dann nur 2910 Soden fest. Krischan hatte eben seine Not mit den Zahlen in höheren Regionen. Johann Schooster sagte, Krischan habe die Bedingungen nicht erfüllt und er würde ihm nur 3 Mark (der übliche Tageslohn) zahlen und das gab es dann auch nicht in Bargeld, sondern dafür sohlte er ihm Stiefel mit minderwertigem Sohlleder. Das war sicherlich nicht die ganz stubenreine Art, die gutmütige Art dieser Leute auszunutzen. Aber solche derben Späße, von denen es noch viele zu berichten gäbe, waren an der Tagesordnung im Dorf.

Auf diesem Kartenausschnitt (veröffentlicht 1880) ist die Stohdachkate eingezeichnet:

Dorfmitte mit Kate beim Hof Timm

 

 

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